Herbert findet endlich ein Portal!

Wie wir wissen, hat Herbert in seinem Leben schon alles gemacht. Dadurch hat er in jeder Branche auch viele Kontakte. Manche Branchen beschäftigen sich mit nicht ganz so legalen Dingen, so ist das eben in unserer Welt. Jedenfalls seit die Menschen irgendwo niedergeschrieben haben, was legal ist und was nicht. Moralvorstellungen alleine genügen nicht gegen unlautere Vorhaben und 10 Gebote auch nicht.
So gibt es neben dem Abschreiben von Doktorarbeiten und anderen Copyrightverletzungen auch richtige Industriespionage. Eine Firma, die nicht namentlich genannt werden möchte, hat mithilfe von Unterlagen aus dem CERN und anderen Forschungslaboratorien ein Portal nachgebaut.  Man findet nur noch keine freiwilligen Testpersonen. Ein Hund, den man testweise durch das Portal geschickt hat, ist spurlos verschwunden.
Es ist nicht zu kontrollieren, ob er auf Mygnia gelandet ist, oder einfach ersatzlos atomisiert wurde.

Außerdem gibt es noch immer keine sichere Möglichkeit, von Mygnia wieder zur Erde zurückzukehren. Die wenigen Rückkehrer haben bisher auch nur von Zufällen berichtet, die sie wieder zur Erde transportiert haben.

Dieser Sachverhalt ist Herbert zu Ohren gekommen und er ist wild entschlossen, sich als Testperson zu melden. Er hat nichts zu verlieren, nur zu gewinnen. Und wenn doch etwas zu verlieren wäre, sorgt Herberts gnadenloser Optimismus dafür, dass ihm nie (wieder) etwas Schlimmes passieren würde. Er hat sämtliche Verluste und Niederlagen in seinem Leben so perfekt verdrängt, dass er sich nach wie vor auf der Siegerstraße fühlt und es nur an außergewöhnlichen Umständen liegt, die er nicht selbst verschuldet hat, dass er noch immer nicht am Ziel seiner Träume und Wünsche ist.

Kurz und gut, sein Kontaktmann verschafft ihm ein Gespräch mit einem Manager der oben nicht genannten Firma.
Der Manager ist beeindruckt. Mehr von Herberts wilder Entschlossenheit als von seinen wissenschaftlichen Erfahrungen. Der Bau eines Amateurfunksenders, der auch Material senden kann, wäre ihm noch nicht gelungen, aber sonst eben alles, was mit Elektronik zu tun hat. Auch Hexadezimale Zahlen in binäre umzuwandeln, schafft er im Kopf - ganz ohne Taschenrechner, der ja auf Mygnia nicht funktionieren würde. Also ist er auf jeden Fall qualifiziert - meint Herbert.
Er bekommt den Job. Eine »ärztliche« Untersuchung bescheinigt Herbert eine unverwüstliche Kondition. Nach dem Test dürfte er auch von der NASA auf den Mars geschossen werden, vermutet der Betriebssanitäter des nicht genannten Unternehmens. Puls, Blutdruck und zulässiges Gesamtgewicht seien soweit in Ordnung.

Am Tag seiner Abreise wacht Herbert schon sehr früh auf. Er hat einen leichten Brummschädel, weil er am Vorabend mit Theo und Nina noch Abschied gefeiert hat. Theo wollte ihm die Reise ausreden, aber bei Nina hatte er den Eindruck, dass sie die Hoffnung hat, er könne bei seiner Mission den verschollenen Gerry auftreiben und wieder zurückbringen. So haben die drei abgestimmt, und Herbert ist mit 2 zu 1 Stimmen beauftragt worden, nach Mygnia zu reisen. Mit diesem Mandat im Rücken und seiner andauernden Zuversicht, nun endlich ganz groß rauszukommen, sind auch die geringsten Zweifel so nachhaltig ausgelöscht, dass er euphorisch und ungeduldig schon Stunden vor der Abreise bei der »Firma« ist.
Als Reisegepäck hat er seine Tasche gepackt, die er auch zur Kur mitgenommen hat. Mehr würde er auch auf Mygnia nicht benötigen. Natürlich befinden sich in seiner linken Hosentasche alle Utensilien, die er sowieso immer dabei hat: Ein Adapter für französische Fahrradventile, 3 Imbusschlüssel - 6,8 und 10mm, eine LED-Taschenlampe, Draht, Bindfaden, Sekundenkleber, Isolierband, 2 Einwegfeuerzeuge und 2 Papiertaschentücher. Er überlegt kurz, ob er die Taschenlampe zuhause lassen soll - aber man weiß ja nie, vielleicht kann er die mygnianische Stromsperre irgendwie überlisten. Schließlich hat er auch schon andere Naturgesetze außer Kraft gesetzt, manche auch ganz ohne Natur.
In der rechten Hosentasche trägt er sein wichtigstes Stück - das Schweizer Offiziersmesser Er besitzt leider nicht das Wenger Giant Knife 2007 mit 81 Einzelwerkzeugen für 141 unterschiedliche Funktionen, aber  mindestens die nächstkleinere Version, oder beinahe. Nun wäre in der rechten Hosentasche noch mächtig viel Platz, denn sein Schlüsselbund mit ca. 43 Schlüsseln will er nicht mitnehmen. Das soll Theo solange in seine Obhut nehmen. Nina schlug vor, er solle die Hosentasche nicht gänzlich vollstopfen, weil er auf Mygnia Meline und andere Dinge sammeln soll, die ebenfalls Platz brauchen. Das war eine gute Idee!

Herbert steht doch etwas aufgeregt im Portal und die Techniker der »Firma« melden dem Manager, dass alle Systeme bereit sind. Herbert hat vorher noch blind ein paar Verträge unterschrieben und gar nicht gemerkt, dass ihm auch bei erfolgreicher Mission außer seinem nackten Leben nichts bleibt. Der Anwalt der »Firma« hat dafür gesorgt, dass sie alle Rechte, jeden Gewinn und sogar die Werbeeinnahmen kassiert, wenn Herbert später im Fernsehen erzählen sollte, welche Turnschuhe er bei der Reise getragen hat und wie einmalig sie sich auch bei anderen Gravitationsverhältnissen angefühlt haben. Und die Turnschuhfirma das honoriert.

Der Hebel wird umgelegt. Die Portalmaschine bebt und rattert. Es wird unerträglich hell. Das Licht hat unendlich viele Farben - jeder Regenbogen würde neidisch werden.
Ein Rauschen, Donnern und Klänge wie Glockengeläut erfüllen den Raum.
Die Portal-Crew sieht wie Herbert verschwindet. Er ist rückstandslos weg - einfach weg!

Herbert wird mächtig durchgeschüttelt, bleibt aber bei Besinnung. Er tritt aus dem Licht und schaut sich um.

Er kann es nicht fassen!

Er ist nicht auf Mygnia. Er ist immer noch auf der Erde.
Aber in dem Stadtteil, in dem er aufgewachsen ist. Vor dem Haus, in dem er aufgewachsen ist. Vor dem Haus, dass vor 50 Jahren schon abgerissen wurde.
Unten im Haus ist wieder / immer noch der Kiosk, wo er in der Kindheit sein ganzes Taschengeld gelassen hat.
Er schaut auf eine Zeitung. Er durchwühlt den ganzen Zeitungsständer, aber auf allen steht das selbe Datum: 3.Juli 1959.